la luce verrà
in segreto vivrà…
(Giuseppe Ungaretti)
Der äußere Formbau von phosphor ist denkbar einfach, vier Orchesterteile wechseln mit drei Soloteilen:
tutti I - solo I - tutti II - solo II - tutti III - solo III – tutti IV
Jeder Orchesterteil folgt auf strenge Weise einer (nahezu völlig) automatisierten Konstruktion – auf der Suche nach dem Wechselspiel zwischen Struktur und klanglichen Erscheinung. Und alle Teile sind – warum nicht? – späte Echos serieller Musik. Das Orchester ist dabei in vier Gruppen gespalten, in denen jeder Musiker eine eigene Stimme spielt, das "Ganze" also nie nur das Ganze, sondern auch immer das Einzelne, Vereinzelte ist.
Das "Solo" ist wörtlich als ein "allein" zu verstehen, so dass der Solist in den Orchesterteilen im Ensemble auf- bzw. untergeht, in den Soloteilen dagegen wirklich alleine spielt (mit seltenen Echos im Ensemble, die eher die Distanz zwischen Solist und Ensemble betonen, als Nähe herzustellen). Er wird nie zum Helden, nie zum Subjekt, das die Schöpfung krönt (Gott ist tot), aber auch nicht zum Anti-Helden (er negiert nicht), sondern: er hat in der vorgefundenen Situation schlicht keine andere Wahl. Was bleibt da mehr, als zu tanzen, zu brillieren oder ein "carillon nocturne" anzustimmen?
Soweit scheint die Situation klar zu sein, aber das Gegenteil ist wohl der Fall: vom Einzelnen zum Ganzen, das Ganze nicht im Ganzen und das Einzelne nicht im Einzelnen ruhend, sondern immer zwischen allen Zwischenstufen und zwischen sich und seiner Rolle oszillierend, stellt das Stück trotz oder gerade wegen seines klaren Aufbaus eine Art "chiaroscuro" dar, eine – wenn man will – phosphoreszierende Form.
So folgen wir einer Reihe von sieben verschiedenen Bildern, säkularen Responsorien, die nicht respondieren, in welcher der Hörer aber - wie ein Leuchten der Erinnerung - einen Weg, eine Geschichte wahrnehmen und/oder erfinden kann.
Johannes Schöllhorn.