Niemand weiß, ob sie ein schneller Volkstanz aus der Provinz Aragón, welcher von einzelnen Paaren in wilden Drehungen getanzt wird und dessen Begleitung aus einem rauen Gesang, Kastagnetten und Gitarren besteht, ist, aber an einem Kapitell im Kloster Moissac (um 1085-1115) ist ein spielender Begleiter König Davids mit der Beischrift NAME (=Eman) CVM ROTA dargestellt und Ruodelieb (Epigramm XI; 11.Jh.) spricht von einem Zupfinstrument ähnlich einer Zither: …inuenit…David psalterium triangulum id est rottam (ahd. Rotta; mhd. rotte; altfrz. rote; altprov. und latinisiert rota; gallo-romanisch chrotta, chrota), eine Annahme, die ein Dokument des 15.Jahrhunderts in der Bayrischen Staatsbibliothek München …rott, chordas habens ex utraque parte ligni cauati stützt – von Wolf lapidar mit dem Satz kommentiert: Hoc instrumentum est multum volgare. Der Rotulus (lat. Rolle; frz. Rouleau; engl. Roll) ist dagegen eine Art Rolle aus aneinander geklebten oder genähten Blättern, welche, beschrieben auch mit mehrstimmiger Musik, im 14.-15. Jahrhundert mehrfach bezeugt ist, und das Rheinische Wörterbuch (erstellt im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde und des Provinzialverbandes der Rheinprovinz, 9 Bände) erwähnt ebenfalls eine Rolle (das Wort ist allg., u. zwar Rhfrk rol, o-, u-; Mosfrk -o-, o-; Siegld -o-; sonst -o-, Pl. -l (n), ·l. (n), Demin. rel (n), re·l. n, e-, -ø-; Nfrk rø·l. k , lsk , ltš n, ltj f.:) sowie ein „zusammengerolltes Schriftstück“ in mlat. Kanzleisprache (rotulus, rotula = `Rädchen'), welches als röl das über die Weinberge zu führende Jahr- u. Tagebuch, worin die Anlagen, Düngung, Arbeiten usf. eingetragen wurden, bezeichnet. Auch finden wir die (?) Radel, deren ältester Beleg sich in der Lambacher Liederhandschrift (2. Hälfte des 14.Jahrhundert) der Wiener Nationalbibliothek mit dem Text Martein liber Herre, Ain r. von drein stimmen befindet und dem Round oder Roundel aus Shakespeares Midsummer Night’s Dream (2.Akt, 2.Szene) verwandt zu sein scheint, welche (?) im 17. Jahrhundert einen Tanz oder Nachtanz, bei dem die Tänzer einen Kreis bilden, vorstellen und vermutlich in Beziehung zu den Estampien Lamento di Tristano und La Manfredina in Lo stehen. Bei Caroso (1581 und 1600) ist wiederum eine Bezeichnung für einen unbestimmten Nachtanz in der Satzfolge: Balletto – Gagliarda – La Rota – Canario, verzeichnet, genauer unterschieden als: La rota grave – La rota in saltarello - La rota in gagliarda und über den Rondellus sagt beiläufig der ehrwürdige Odington in De speculatione musices (um 1320): Id est [cantus] rotabilis vel circumductus, ein Stimmtauschstück, in dem mehrfach die Vorstellung des „Runden“ wiederkehrt, welche sich beim Rondeau (frz.; ältere Wortform: rondel) auf Rundtanz (Reigen) und oftmaliges Wiederholen eines Refrains zu beziehen scheint: die herausragende Quelle F sowie ein ausdrückliches bischöfliches Verbot aus dem Jahre 1249 weisen auf eine weite Verbreitung auch im kirchlichen Bereich, vergleichbar der neueren Rota Rota, welche, als kreise sie gleichzeitig um interne und externe Achsen, ein Ballo tondo (Rundtanz) im neapolitanischen Dialekt, der dem italienischen gira (Dreh dich!) entspricht und hier den Charakter einer Formel, die während des Tanzes ausgesprochen wird, um die magischen Bilder des Kreises zu beschwören, erhält, ist; vgl. auch: round dance · Rundtanz {m} · round each other {adv} · umeinander ... rose — rota — rota — rott — roug — roul — roun — roun — rout — rowd — roya, und: rotulum (est, quid voluitur ad modum rote) (wiederum bei Wolf) bzw. rotunda vel rotundellus (J. de Grocheo), also einfachste Bewegungen, gespalten, verflochten, ineinander verstrickt, wie Körper, Arme und Beine der Tänzer in der Drehung, im Kreisen, im Taumel, im Schwindel.
Johannes Schöllhorn.