Jedes der beiden Stücke setzt sich mit dem spezifischen Modell eines Anklangs an historische Bezüge auseinander. Dies kann, wie im Fall von Anklang .2, ein bekanntes technisch-virtuoses Muster sein: Eine simple pianistische Spielfigur (Dreiklangsbrechung) wird immer mehr variiert. Sie beginnt allmählich über ihre engen Grenzen hinauszuwuchern, sich zu verästeln und zu verzweigen - bis zu dem Punkt, an dem sich die erreichte Virtuosität selbst ad absurdum zu führen scheint. Zur gleichen Zeit gewinnen jedoch auch fremde, irritierende Elemente an Bedeutung, die der Mechanik der Virtuosität diametral entgegenstehen. So entsteht ein Spannungsfeld, dessen Entwicklung unvorhersehbar bleibt.
In Anklang .1 hingegen schwingt fortwährend die Ahnung einer anderen Musik im Hintergrund mit - als eine historische Resonanz. Diese Ahnung dient mir als Projektionsfläche für meine eigenen musikalischen Ideen. Somit eröffnet sich eine Wechselbeziehung, ein Assoziationsraum, der sehr unmittelbare kompositorische Reaktionen zulässt. Das so gewonnene Material entwickelt in der Folge sein spezifisches Eigenleben.
Die verschiedenen Ausgangsideen in Anklang .1/.2 werden zu keinem Zeitpunkt etüdenhaft verfolgt. Vielmehr eröffnen sie Spielräume, in denen ich auf das konkrete Modell (auf seine Aktualität, seine Bedeutung für mich) reagiere und es dadurch reflektiere.
Der formale Entwurf von Anklang .1/.2 sieht eine spätere Erweiterung des Stückes um einen weiteren Satz (Anklang .3) vor, und ist als Reaktion auf das vom Ensemble Modern initiierte Arbeitsmodell eines work in progress, im engen Dialog mit den Musikern, entstanden (Anklang .1/.2 wurde im Rahmen des ersten internationalen Kompositionsseminars des Ensemble Modern komponiert.). In einer frühen Probenphase konnte ich Teilmomente des Stückes testen, die in der Folge allmählich aufeinander zugewachsen sind. Das Stück ist somit - gleichsam vegetativ - allmählich von Innen heraus gewachsen. Die verschiedenen Teile haben sich konstruktiv und assoziativ mit- und ineinander verwoben. Der Gedanke einer nochmaligen Erweiterung (in Form von Anklang.3), die zu einem späteren Zeitpunkt und nach der Erfahrung verschiedener Aufführungen komponiert wird, spinnt auf diese Weise die Ausgangsidee des Kompositionsseminars fort. Doch ungeachtet der geplanten Fortsetzung steht Anklang .1/.2 bis dahin für sich, als ein in sich abgeschlossenes, selbstständiges Stück.
Arnulf Herrmann.